Pflichtteilsentziehung nur im Ausnahmefall
Auch wenn gesetzliche Erben durch Testament vom Erbe ausgeschlossen werden, kann ihnen ein Pflichtteil zustehen. Dies betrifft insbesondere Kinder, aber auch Ehegatten oder sogar Eltern. Um diesen Pflichtteilsberechtigten den Pflichtteil wirksam entziehen zu können, muss ein Erblasser sowohl formal als auch inhaltlich hohe Hürden überwinden. Sogar ein körperlicher Angriff auf den Erblasser muss nicht zwingend dazu führen, dass ein Pflichtteilsanspruch entfällt.
So hatte das Landgericht Frankenthal (Urteil vom 11.03.2021 – 8 O 308/20) einen Fall zu entscheiden, in dem die Eltern in einem notariellen Erbvertrag ihren Sohn enterbt und zusätzlich angeordnet hatten, dass ihm der Pflichtteil entzogen werden soll. Als Begründung hatten sie angegeben, dass der Sohn die Mutter ein Jahr zuvor mehrfach geschlagen und die Mutter dadurch eine Schädelprellung erlitten habe.
Nach Ansicht des Landgerichts war die Entziehung des Pflichtteils bereits aus formalen Gründen unwirksam. Um zu verhindern, dass nachträglich weitere Gründe nachgeschoben werden, müsse das maßgebliche Fehlverhalten des Erben bereits im Testament oder Erbvertrag eindeutig geschildert werden. Dazu gehört auch, dass die genauen Hintergründe der Auseinandersetzung und deren Folgen dargelegt werden.
Auch reiche nach Ansicht des Landgerichts nicht jede Körperverletzung aus, um den Pflichtteil zu entziehen. Nur ein schweres Vergehen gegen den Erblasser könne zum Verlust des Pflichtteils führen. In dem zu entscheidenden Fall konnte nicht aufgeklärt werden, wie sich der Streit abgespielt hatte. Es blieb für das Gericht denkbar, dass sich die Körperverletzung bei einem spontanen Streit
oder im Affekt zugetragen haben könnte, was nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend für den Verlust des Pflichtteilsrechts sei. Zweifel bei der Aufklärung wertete das Gericht zugunsten des Pflichtteilsberechtigten.
Das Gericht hat dem Sohn seinen Pflichtteil zugesprochen, die Verfahrenskosten musste der testamentarische Erbe tragen.
Eine fachkundige Beratung bei Errichtung des Testamentes ist damit unbedingt zu empfehlen. Gegebenenfalls bieten sich auch andere Möglichkeiten einer Pflichtteilsreduzierung wie z.B. lebzeitige Übertragungen als Lösungsmöglichkeit an.
Hauke Wöbken
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